Forecasterstellung
Was versteht man unter einem Call Center Forecast?
Der Forecast ist eine sehr analytische Disziplin im Workforce Management. Im Wesentlichen geht es beim Forecast darum, das zukünftige Arbeitsaufkommen basierend auf historischen Daten zu berechnen. In Contact Centern bezieht sich dies hauptsächlich auf die Prognose von Kontaktvolumen für einen bestimmten Zeitraum und über verschiedene Kanäle hinweg (z.B. Anrufe, Chat, E-Mail, Social Media). Der Forecast ist der erste Schritt im Prozess zur Bestimmung der “richtigen Anzahl von Mitarbeitern”.
Forecast ohne historische Daten
Manchmal ist es einfach nicht möglich, einen Forecast zu erstellen. Call-Center-Dienstleister erhalten von ihren Kunden in der Regel einen Forecast oder den erforderlichen Personalbedarf. Inhouse-Contact-Center, z.B. von Start-ups, oder die einen neuen Kontaktkanal bedienen, können auf keine historischen Daten für den Forecast zurückgreifen. Aber sobald erste Daten gesammelt wurden, können diese für den Forecast verwendet werden.
Der Forecast bildet das Fundament des Workforce Managements. Wenn er falsch berechnet wurde, ist der gesamte WFM-Prozess instabil.
Was ist bei der Erstellung eines Contact Center Forecasts zu beachten?
Ob die Forecasterstellung erfolgreich ist, hängt stark von der Genauigkeit Deiner Prognose ab. Sie ist eine der größten Herausforderungen, die viele Planer heutzutage im Contact Center meistern müssen. Daher ist es unabdingbar zu verstehen, was Du benötigst und beachten solltest, um eine gute Prognose bzw. einen genauen Forecast zu erstellen. Damit Du eine genaue Übersicht bekommst, was das für Dich und Deine Planung bedeutet, erklären wir Dir im folgenden vier wesentliche Schritte eines jeden Forecast-Prozesses.
1. Erfassung und Analyse historischer Daten
Der erste Schritt beim Forecast besteht darin, historische Daten zu sammeln. Dafür schaust Du Dir das Anrufvolumen, also die Anzahl der eingehenden Anrufe, sowie die durchschnittliche Bearbeitungszeit (AHT) pro Intervall (z.B. alle 15, 30 oder 60 Minuten) für einen bestimmten Zeitraum an. Die AHT kann im Laufe der Zeit variieren. In vielen Contact Centern sind die Bearbeitungszeiten beispielsweise abends länger als tagsüber.
Es ist ratsam, für den Forecast einen längeren Zeitraum zu betrachten. Eine Datenmenge mit bis zu zwei Jahren an Historie ist bestens geeignet, um ein genaues Bild der Vergangenheit zu erhalten. Auf diese Weise kannst Du auch Trends und monatliche sowie saisonale Muster in den Daten erkennen. Es ist wichtig, Daten in kurzen Intervallen wie 15 Minuten zu sammeln. Denn das Ziel ist es, Angebot und Nachfrage an jedem Arbeitstag aufeinander abzustimmen, die Spitzen und Täler zu beobachten und eine Unter- oder Überbesetzung zu vermeiden. Das ist nicht möglich, wenn man nur das Gesamtvolumen pro Tag betrachtet.
Die naheliegendste Quelle für diese Informationen ist die ACD-Anlage (Automatic Call Distribution), ein Telefonsystem, das Dein Contact Center nutzt, um eingehende Anrufe weiterzuleiten und zu beantworten. Bei der Analyse dieser Daten achtest Du ebenfalls auf Abweichungen und Anomalien in den Daten. Diese gehören nicht in den Forecast und müssen entfernt werden. Aber ist es wichtig, den Grund für Ausreißer sowie Spitzen und Täler in Deiner Datengrundlage zu ermitteln, damit Du gegebenenfalls manuelle Anpassungen vornehmen kannst. Am besten notierst Du Dir Abweichungen, von denen Du weißt, dass sie in Zukunft wieder auftreten werden, wie z. B. Rechnungsläufe, Marketingkampagnen und Feiertage.
2. Vorhersage des künftigen Arbeitsaufkommens
Wenn Du Deine historischen Daten vorliegen hast, bist Du nun bereit, mithilfe verschiedener mathematischer Methoden Deinen Forecast zu erstellen. Gängige Prognoseverfahren umfassen Zeitreihen-Analysen (Time-Series), Durchschnittswertverfahren (Averaging), Intraday-Projektionen sowie die Punktschätzung (Point-Estimate) auf Grundlage von Variablen wie:
- Daten zur Kontakthistorie (z.B. Anrufvolumen, Anzahl eingehender Chats/E-Mails/Tickets)
- Kontaktmuster (durchschnittliche Handhabungszeit oder Average Handling Time, Kontaktdauer, etc.)
- Eventdaten bzw. Feiertage, Kampagnen und andere Ereignisse, die sich auf das Kontaktvolumen auswirken können
Der empfohlene und meistgenutzte Ansatz für die Forecast-Berechnung im Contact Center basiert auf der sogenannten Time-Series-Berechnung. Diese Methode berücksichtigt nicht nur die historischen Daten vollwertig, sondern ermöglicht gleichzeitig die Isolierung der Auswirkungen von Trends, wie z.B. die Änderungsrate sowie Fluktuationen in den Daten.
Die sogenannte Point-Estimate-Methode ist die einfachste und grundlegendste Technik, die häufig in der manuellen Forecast-Berechnung verwendet wird. Contact Center, die ihre Prognoseberechnung mittels Tabellenkalkulation in Excel handhaben, nutzen diese Methode häufig. Jedoch weist sie mehrere Mängel auf, insbesondere da Trends in Kontaktmustern nicht erkannt werden und eine akkurate Berechnung stark von der Normalität der Daten abhängig ist.
Eine gewichtete Durchschnittsberechnung bzw. Mittelwertbildung kommt einer tatsächlichen Prognose sehr nahe. Diese Methode ermöglicht es Dir, den jüngsten Ereignissen mehr Gewicht oder Bedeutung zuzuweisen. Aber auch dieser Ansatz vernachlässigt die Aufwärtstrends in den Daten.
3. Berücksichtigung von Unternehmensfaktoren
Im diesem Schritt Deines Forecast-Prozesses ist es ratsam, auch unternehmensspezifische Faktoren zu berücksichtigen, die sich auf das Arbeitsaufkommen in Deinem Contact Center auswirken können, wie z.B:
- Marketingkampagnen und Werbeaktionen
- Operative Veränderungen (z.B. Rechnungsstellung, Logistik, Vertrieb)
- Besondere Umstände und/oder Krisensituationen (z.B. durch negative PR, Wettbewerbsdruck, Umwelteinflüsse)
- Unternehmensstrategie und -taktik (z.B. Marktentwicklung und -erweiterung, Einführung neuer Produkte, Veränderungen im Kundenstamm)
Es ist wichtig, sich sowohl der internen als auch der externen Faktoren bewusst zu sein. Je nach Unternehmen und Branche können diese Auswirkungen das Kontaktvolumen beeinflussen. Das macht es erforderlich, diese bestmöglich zu koordinieren und ebenfalls bei der Forecasterstellung zu berücksichtigen.
Ein guter Kommunikationsprozess und Transparenz innerhalb des Unternehmens über Abteilungen und Geschäftsebenen hinweg ist entscheidend. Achte darauf, Deine Prognose-Annahmen mit Informationen über diese Einflussfaktoren zu untermauern, indem Du als Planer mit anderen Abteilungen, wie beispielsweise dem operativen Betrieb, IT und Marketing, eng zusammen arbeitest. Auf diese Weise wirst Du gut vorbereitet sein, um hochgenaue Zukunftsprognosen zu erstellen.
4. Berechnung des Personalbedarfs
Der letzte Schritt besteht darin, basierend auf dem Forecast für das Kontaktvolumen und der AHT, den entsprechenden Personalbedarf abzuleiten. Der Personalbedarf ist der wichtigste Input für die Personaleinsatzplanung. Hier wird die Anzahl der Mitarbeiter berechnet, die in jedem Intervall benötigt werden, um das prognostizierte Arbeitsaufkommen in einem bestimmten Servicegrad zu bewältigen.
Berechnung für verschiedene Kanäle
Moderne Contact Center bieten Kundenservice über mehrere Kanäle an: Telefon, Chat, E-Mail usw. Es gibt keine allgemeingültige Methode zur Berechnung des Personalbedarfs. Die bekannteste Methode ist Erlang, benannt nach dem dänischen Mathematiker Agner Krarup Erlang, der sie erfunden hat.
Die Erlang-C Methode hat sich für eingehende Anrufe bewährt, ist aber für Chats nicht anwendbar. Denn sie berücksichtigt nicht, dass Agenten in der Regel mehr als einen Chat gleichzeitig bearbeiten können.
Auch für E-Mails kann die Methode nicht verwendet werden, denn sie werden in der Regel in einer Zeitspanne bearbeitet, die in Stunden und nicht in Sekunden gemessen wird.
Für jeden Kanal, über den Kunden Kontakt aufnehmen können, gibt es eine andere Berechnungsmethode:
Eingehende Anrufe
Erlang. Es gibt eine Reihe von Erlang-Methoden, aber Erlang C wird am häufigsten im Contact Center verwendet. Erlang C berücksichtigt das erwartete Anrufaufkommen, die erwartete durchschnittliche Bearbeitungszeit (AHT) und das gewünschte Service Level. Einige WFM-Anwendungen ermöglichen es, das Service Niveau nicht nur als Service Level, sondern auch als durchschnittliche Antwortgeschwindigkeit (ASA) oder Abbrecher-Quote (ABR) anzugeben.
Chats
Die Auslastung wird mit einer Ableitung der Erlang-C-Methode berechnet, die jedoch so angepasst wurde, dass die sogenannte Concurrency, also das gleichzeitige Beantworten von mehreren Chats, und der Mehraufwand durch den Wechsel der Kanäle berücksichtigt werden.
E-Mail, Back-Office, soziale Medien
Es wird eine lineare Berechnung verwendet, die auf der Erledigung der Anzahl von Kontakten innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens basiert, wobei die AHT berücksichtigt wird.
Outbound-Anrufe
Da Outbound-Anrufe gut planbar sind, gibt es mehrere mögliche Ansätze. Die einfachste Methode ist ein konstanter Bedarf, der auf der Anzahl der geplanten Agenten basiert. Es kann auch eine lineare Berechnung auf Grundlage der Anzahl der Kontakte in einer geplanten Kampagne innerhalb eines gewünschten Zeitrahmens verwendet werden. Einige WFM-Anwendungen bieten eine eigene Berechnung, bei der Parameter wie die Verbindungsrate zwischen gültigen und ungültigen Anrufen berücksichtigt werden.
Bedarfsunabhängig
Manchmal muss der Planer einen konstanten Personalbedarf über die gesamte Öffnungszeit erstellen, ohne dass ein Forecast zugrunde liegt. Dies kann bei dem Start eines völlig neuen Geschäftszweiges oder bei Aktivitäten mit einer so geringen oder schwankenden Anzahl von Kontakten der Fall sein, dass eine Vorhersage unpraktisch ist. Dennoch ist der Bedarf an einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern bekannt. Dies kann der Fall sein, wenn Contact Center anfangen, Social Media Kanäle für den Kundenservice zu nutzen.
Pooling-Effizienz bei Multi-Skills
Die Planung und Auslastung von Agenten mit Multi-Skills wird tendenziell höher sein als die von Agenten mit nur einer Qualifikation. Dies wiederum bedeutet, dass je mehr Multi-Skills vorhanden sind, desto weniger Mitarbeiter benötigt werden, um das Arbeitsaufkommen zu bewältigen. Dieser Effekt wird als “Pooling-Effizienz” bezeichnet. Die Modellierung dieser Pooling-Effizienz im Forecast- und Schichtplanungsprozess ist komplex und erfordert Algorithmen, die nur in leistungsfähigen WFM-Anwendungen wie injixo verfügbar sind.
Berücksichtigung der Shrinkage
Bei der Berechnung des Personaleinsatzes muss die sogenannte Shrinkage (Schwund) berücksichtigt werden. Das ist der Prozentsatz der bezahlten Arbeitszeit, in der Agenten nicht für die Bearbeitung von Kontakten zur Verfügung stehen. Dazu gehören unproduktive Aktivitäten wie Pausen, Meetings, Schulungen und Einzelgespräche sowie Abwesenheitszeiten durch Urlaub, Krankheit, Verspätungen und andere unbegründete Fehlzeiten.
30% Shrinkage bedeutet, dass jeder Mitarbeiter die Leistung von 70 % eines Vollzeitmitarbeiters (FTE) erbringt. Das bedeutet, dass der Personalbedarf um (1 / 0,7 = +43%) aufgestockt werden muss, um den Shrinkage-Effekt auszugleichen.
Warum ist ein Forecast wichtig?
Ein Forecast liefert Dir die Basis für die Bestimmung der richtigen Anzahl an Mitarbeitern zum richtigen Zeitpunkt, um ein zukünftiges Arbeitsvolumen möglichst effizient und bedarfsgerecht zu bearbeiten. Vielmehr ist es aber ein unabdingbarer Bestandteil Deines Planungsprozesses. Ohne Bedarfsprognose wird es Dir schwer fallen, Deine Mitarbeiterbesetzung am Kontaktvolumen auszurichten und Über- oder Unterbesetzung im Contact Center zu vermeiden.
Kein Forecast ist jemals ganz genau, und deshalb gehört zum Workforce-Management-Prozess auch eine Tagessteuerung. Ohne einen guten Forecast, der im Idealfall ständig aktualisiert wird, sobald neue Daten verfügbar sind, ist die Tagessteuerung in Echtzeit wesentlich schwieriger. Anstatt gezielte Korrekturmaßnahmen zu ergreifen, sind die Planer ständig im “Firefighting Modus”, um die Probleme zu lösen.